Vortrag: Bodenverbrauch und Ernährungssicherheit
Die Initiative Ludesch – für einen lebenswerten Walgau möchte die lokale und regionale Bevölkerung möglichst umfassend und fachlich fundiert über die Folgen der geplanten Vergrößerung der Ludescher Getränkeindustrie (Rauch, Ball, Red Bull) informieren.
Im Rahmen ihrer Informations- und Aufklärungsarbeit fand am Do. 12.7.18 im Ludescher Gemeindesaal ein Vortragsabend zum Thema Boden und Ernährungssicherheit auf dem Programm.
„Bodenfraß ohne Ende? Nein, Danke! – Warum wir die Böden besser schützen müssen!“
Referenten waren Univ.-Prof. Dr. Gerlind Weber (Soziologin, Raumplanerin und Vorsitzende des Vorarlberger Naturschutzrats) und Stefan Schartlmüller (Mitglied der ÖBV)
Der Publikumsandrang war enorm und kam selbst für die Veranstalter überraschend! Die beiden Referate boten dem interessierten Publikum eine anschauliche und verständliche Einführung in komplexe Fachthemen, die zugleich zentrale Aufgaben und Herausforderungen unserer Gesellschaft darstellen.
Die Tragweite von quantitativem und qualitativem Bodenschutz wurde den Zuhörerinnen und Zuhörern eindrücklich vor Augen geführt. So wurde klar, dass mit jeder importierten Kalorie der Anspruch auf Produktionsfläche – und damit die unmittelbare Verstrickung in die Konflikte und Kriege dieser Welt – importiert wird. Nur jede dritte Kalorie des österreichischen Kalorienbedarfs wird in Österreich selber produziert. Mit anderen Worten: Weder Österreich noch die EU sind derzeit im Stande ihre Bevölkerung mit der in Österreich bzw. Europa zur Verfügung stehenden Fläche ausreichend zu ernähren.
Univ.-Prof. Gerlind Weber überzeugte die Zuhörerschaft von der Dringlichkeit des quantitativen Bodenschutzes respektive der Herstellung und Gewährleistung von Ernährungssicherheit unter anderem mit einer Einschätzung von General Othmar Commenda, bis Juni 2018 Chef des Generalstabs des österr. Bundesheeres: „Die größte Bedrohung (für Österreich) ist der Verlust der Ernährungssouveränität“ .
Stefan Schartlmüller weist in seinem Vortrag darauf hin, dass General Commenda wahrscheinlich die Ernährungssicherheit gemeint hat, welche von der Ernährungssouveränität zu unterscheiden ist.
Damit rangiert die Ernährungssicherheit in der Liste der Gefahren unter anderem vor Terrorismus, Cyberattacken und Wirtschaftskriminalität.
Zudem gelang Univ.-Prof. Gerlind Weber eine verständliche und kompakte Darstellung der Verbindung zwischen Bodenschutz und Klimaschutz. Der Boden ist nach den Weltmeeren der größte Speicher von Treibhausgasen!
Wie es mit unserem Klima weitergeht, hängt nicht nur von Prozessen in der globalen Atmosphäre ab, sondern vor allem auch davon wie wir mit den Ökosystemen Boden und Gewässer umgehen. Die Dringlichkeit einer adäquaten Klimapolitik ist unbestritten. Die Emissionen steigen nach wie vor.
Der Vortrag stellte klar, dass die Erhöhung der Eigenversorgung mit Lebensmitteln bzw. die Verringerung der Abhängigkeit von Lebensmittelimporten ein vordringliches Ziel einer verantwortlichen Wirtschafts- und Sicherheitspolitik und ein gesamtgesellschaftliches Anliegen sein muss. Voraussetzung dafür ist der Erhalt der Produktionsgrundlage für Lebensmittel.
Das Referat von Stefan Schartlmüller verdeutlichte nochmals den Unterschied zwischen Ernährungssicherheit und -souveränität und ging verstärkt auf die praktischen Möglichkeiten auch des Einzelnen ein, um sich an der Erhöhung und Gewährleistung der Ernährungssicherheit zu beteiligen und Ernährungssouveränität zu leben.
Sein Vortrag streifte einige gesellschaftliche Voraussetzungen um die Ernährungs-souveränität zu erlangen. „Ernährungssouveränität ist das Recht der Völker auf gesunde und kulturell angepasste Nahrung, nachhaltig und unter Achtung der Umwelt hergestellt. […] Sie ist das Recht der Bevölkerung, ihre Ernährung und Landwirtschaft selbst zu bestimmen. Ernährungssouveränität stellt die Menschen, die Lebensmittel erzeugen, verteilen und konsumieren, ins Zentrum der Nahrungsmittelsysteme, nicht die Interessen der Märkte und der transnationalen Konzerne.“
Er forderte Kostenwahrheit vor allem auch für die Herstellung von Lebensmitteln ein und damit keine weitere Auslagerung sozialer und ökologischer Kosten insbesondere der intensiven Landwirtschaft bzw. der industrialisierten Lebensmittelerzeugung. Kostenwahrheit auch bezüglich des extrem hohen Energiebedarfs und der exorbitant weiten Transportwege. Und er appellierte an die Zuhörer sich an andere politische Formen und damit Entscheidungsfindungen zu wagen, denn jene der aktuellen Tages- und Parteipolitik.
Über die fachspezifischen Inhalte der Fachvorträge hinaus, stellten beide Vorträge klar, dass es dringlich einer Änderung unserer Lebensweise bedarf, um die Zukunft des Landes Vorarlberg nicht zu verbauen.
Die auf die Vorträge folgende öffentliche Diskussion sprühte über vor konstruktiver Kritik, guter Energie und Aufforderungen an die kommunale und regionale Politik ihre Strategien zu überdenken bzw. insbesondere die Ziele der Vorarlberger Grünlandverordnung und der Ökoland 2020 Strategie des Landes Vlbg. ernst zu nehmen und in die Tat umzusetzen.
In kleinen Runden wurde bis in die frühen Morgenstunden nicht nur lebhaft über die Tragweite der Auswirkungen einer Vergrößerung der Getränkekonzerne in Ludesch diskutiert, sondern auch über die Möglichkeiten die vorherrschenden Produktionsweisen in der Wirtschaft (insbesondere der Landwirtschaft) und unsere Lebensweise naturverträglich zu gestalten.
Wir sind gefordert Politik und Ökonomie in die Verantwortung zu nehmen!